Das Szenario: Deutschland ist ein abgeriegelter Klimastaat. Niemand kommt raus, niemand kommt rein. Jedem Menschen steht ein Lebens-CO2-Budget zur Verfügung. Jeder Kauf, jede Fortbewegung, jede Techniknutzung führt zu Kosten, die von diesem Budget abgezogen werden. Jeder ist verpflichtet, ein Armband mit Überwachungssensor zu tragen, das jeden Schritt misst und auch sogenannte schädliche Begriffe registriert. Wer beispielsweise von Freiheit spricht und Kritik an der Klimapolitik äußert, oder verbotene Bücher nennt, muss Strafzahlungen hinnehmen. Wer Fleisch ist oder sonstige Verbote übertritt, ebenso. Die Alten sind die Zukunftszerstörer. Das CO2 ist so bemessen, dass die Menschen bei mustergültigem Verhalten das 65. Lebensjahr erreichen. Wer kein Guthaben mehr zur Verfügung hat, der wird abgeschottet von der Gesellschaft in ein Lager gebracht, wo die Insassen sich selbst überlassen werden bis zum Tod, der unter den dortigen elendigen Bedienungen recht schnell eintritt. Persönlichkeitsrechte existieren nicht mehr. Die Klimawächter können jederzeit und überall Kontrollen durchführen. Bei mehreren Verstößen gilt es, sich Erziehungsprogrammen zu unterziehen. Wer das ultimative Geschenk für das Klima machen möchte, der gibt sich dem rituellen Selbstmord hin. Staatsfeinde werden diesem Geschenk zwangsweise zugeführt.
Konflikt der Generationen
Innerhalb dieser düsteren Welt ist die Handlung von „Hinter der Zukunft“ angesiedelt. Im Fokus steht der Protagonist namens Robin, der ein populärer Gamer ist und für eine neugegründete Jugendpartei auf das Parkett der Politik geschickt wird. Mit dem Ansinnen, herauszufinden, was mit seinem Großvater geschehen ist, der in eines der Lager verschleppt wurde, stellt er sich für das Amt des Bundeskanzlers zur Wahl – die er überraschenderweise auch gewinnt. Natürlich geschieht dies alles zum Missfallen der ehemaligen Klimakanzlerin, die maßgeblich für das repressive Regime verantwortlich war und als Klimaministerin im neuen Kabinett ihre Intrigen schmiedet. Parallel dazu finden verschiedene parallele Handlungsstränge statt, die immer wieder neue Einsichten in die totale Klimarepublik eröffnen. Dabei werden diese Geschichten vornehmlich aus Perspektive junger Menschen erzählt, die sich inmitten des Generationenkonflikts befinden. Manche Jugendliche halten noch zu ihren Eltern, andere lassen sich freiwillig von diesen entfernen, um in spezielle Jugendkommunen unterzukommen. In diesem Kontext steht der Protagonist anfangs noch in einem gewissen Zwiespalt, da er doch gelernt hat, dass Ältere in erster Linie Zukunftsfeinde sind, er jedoch eine gute Beziehung zu seinem Großvater hat.

Wie tief gehen autoritäre Gedanken der Klimabewegung tatsächlich?
Natürlich zeichnet der Roman diesbezüglich ein extremes Szenario – ein Mittel, das sich Dystopien häufig bedienen. Die Frage ist nur, ob es nicht insgeheim doch einzelne Bestrebungen gäbe, die zumindest eine teilweise Umsetzung des beschriebenen Staatswesens herbeisehnen. Zumindest der Aufruf zum Generationenkonflikt ist längst keine Fantasie mehr. Wenn Großmütter im WDR öffentlich als Umweltsäue verunglimpft werden und FFF fragwürdige Twitter-Posts absetzt, die implizieren, dass das Sterben von alten Menschen eigentlich nicht schnell genug sein kann, dann ist es offenkundig, dass Teil der Strategie zumindest einigen Strömungen der aktuellen Klimabewegung ist, einen Antagonismus zwischen den Generationen zu konstruieren. Und auch wenn der Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber von einem jährlichen CO2-Budget spricht, dann erreicht das nicht die grauenerregende Dimension dessen, dass der Autor Thomas Eisinger in seinem Buch beschreibt. Diese Gedankenspiele müssen jedoch bereits als das erste Übertreten einer roten Linie betrachtet werden, weil diese Ideen hochgradig totalitär sind und massiv in die Entscheidungsfreiheit der Menschen eingreifen. Und wie es einer der letzten klugen FDP-Politiker einst sagte: Die Freiheit stirbt zentimeterweise. Es muss nicht das vollendete Extrem eintreten, damit wir unser Selbstbild als freiheitliche Gesellschaft ablegen. Es reicht, wenn sich die Freiheit schrittweise abbaut. Das Extrembild darf dann dem Zweck dienen, einen realen Vorgang zu relativieren. Es ist wie in der Corona-Politik: Zu sagen, dass es in China viel schlimmer war, ändert nichts an der Fragwürdigkeit vieler Einschränkungen der letzten drei Jahre. Und zu sagen, dass solch ein Deutschland wie in „Hinter der Zukunft“ nie eintreten wird, ändert nichts daran, dass es zumindest einige Klimaschützer gibt, die im Kleinen versuchen, einschränkende Änderungen herbeizuführen. Erkennbar ist diese unter anderem in der Verherrlichung der Lockdown-Politik und ihren Nutzen für die Reduzierung der CO2-Emission und die Verklärung dieser als Widerstand gegen den Wachstumswahn, was so nebenbei dann noch gerne Hand in Hand geht mit antikapitalistischer Rhetorik direkt aus dem linksextremen Spektrum.
Solche extremen Szenarien, wie in dem Buch geschildert, sind also durchaus dienlich, nicht um zu denken, dass dies wirklich so eintreten muss, aber um einmal zu reflektieren, wo sich bereits Ansätze breitmachen und wie weit eine freiheitliche Gesellschaft gehen darf, damit sie diesen Titel noch trägt. Dass das Deutschland in Eisingers Werk stramm totalitär ist, steht außer Frage. Aber wo sollte man die aktuelle realpolitische Grenze ziehen?
Der Stil: Tell, dont´show
Inhaltlich bietet „Hinter der Zukunft“ also durchaus seinen Reiz, bezüglich der Stilistik muss ich jedoch einen starken Kritikpunkt äußern. Denn auch wenn sich der Autor über 500 Seiten Zeit nimmt, um seine Geschichte zu erzählen, entfaltet sich wenig organisch aus der Handlung heraus. Es wird viel geredet, zahlreiche Gedanken geäußert, die darlegen, wie das dystopische Deutschland aufgebaut ist. Das Problem dabei ist, dass vieles zu plump und gedrängt beschrieben wird. Der Autor nutzt hier den Holzhammer. Das Prinzip „Shop, dont´t tell“ lässt sich durchaus auch auf den literarischen Bereich anwenden. Ich hätte mir gewünscht, wenn Eisinger dieses Prinzip mehr beherzigt hätte. Nach diesem Prinzip wirkt das Werk teilweise wie ein klassisches Jugendbuch, das mit einer Checkliste seine zu behandelnden Themen abgefrühstückt, wodurch es insgesamt an erzählerischer Raffinesse mangelt.
Ist das Buch deswegen schlecht?
Nein. Auch wenn sich die genannte stilistische Schwäche deutlich offenbart, hat es durchaus Spaß gemacht, „Hinter der Zukunft“ zu lesen. Das Szenario ist interessant, die Thematik aktuell. Und da die momentane Klimabewegung teilweise von totalitären Tendenzen geprägt ist, was sich auch in solchen Forderungen widerspiegelt, wie Klimawandelleugnung unter Strafe zu stellen, ist es notwendig, etwas darüber nachzudenken, wie viele freiheitsberaubende Schritte in der Wirklichkeit möglich sind. Da der Schreibstil insgesamt zudem recht einfach ausfällt, ist man durch die Lektüre trotz ihres Umfangs schnell durch.
Unsere Zukunft wird durch politisches Handeln gestaltet. Wie sie aussehen soll, darüber gibt es verschiedene Visionen. Eine davon hast Du in der Buchbesprechung dargelegt. Eine andere Vision ist die Vorstellung, dass in Deutschland das Multikulti-Paradies entstehen wird. Die Davosianer haben ihre eigene Vorstellung von der Zukunft, Xi Xing Ping und Putin ebenfalls, und die Muslime sowieso.
Die Gegenwart spielt anscheinend keine Rolle mehr. Die Grenzen des Wachstums sind erreicht, sagen einige, und wenn dem so ist, sagen andere, bleibt nur noch die Zerstörung der Gegenwart, damit man die Zukunft wieder aufbauen kann.
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