Meinungsfreiheit im liberalen Sinne bedeutet auch, polarisierende Meinungen zuzulassen, nur so kann diese Freiheit tatsächlich gegeben sein. So stellt es John Stuart Mill in seinem Schriftwerk „Über die Freiheit“ dar, das nicht weniger als ein Standardwerk für jeden überzeugten Liberalen sein sollte. Es ist eine Errungenschaft im Zuge der Aufklärung, die liberale Gedanken in das Bürgertum getragen haben, dass sich die freie Rede nicht mehr nach dem Gutdünken einer Ideologie bemisst, sondern nach humanistischen Grundsätzen, von denen sich die allgemeinen Menschenrechte ableiten. Zu diesen bedingungslosen Rechten gehört es, dass jeder so leben darf wie er möchte, solange er die Rechte anderer nicht verletzt. Gleichzeitig verpflichtet die Charta der Menschenrechte sowie die Basis der aufgeklärten, liberalen Philosophie, dass wir niemandem an seinem Lebensstil hindern sollten, solange dieser sich nicht gegen Rechtsgüter richtet. Gleichzeitig besteht das Recht darauf, dass jeder seine Ablehnung einer Sache kundtun darf, solange er darüber hinaus keine justiziablen Mittel anwendet.
Wie schon Jean Jacque Rousseau die Freiheit definierte:
Freiheit bedeutet nicht, dass man machen darf, was man möchte, sondern dass man nicht machten muss, was man nicht will.
Nur leider driften wir in Europa immer weiter von diesem Prinzip ab. Unter dem Deckmantel von Phrasen wie Toleranz, Akzeptanz und Selbstbestimmung geht es nicht mehr darum, für jeden Menschen diese Rechten und Pflichten gleichmäßig zuteilwerden zu lassen, sondern ein Unrecht in der Vergangenheit zu konstruieren, welches die Anwendung von Ungleichbehandlung in der Gegenwart billigt. Veranschaulichen lässt sich dieser Zustand an zwei aktuellen Entwicklungen.
Die Unantastbarkeit des Islams
Der Anschlag auf Charlie Hebdo war nicht die erste islamisch motivierte Gewalttat und sie war nicht die letzte. Ebenso aufsehenerregend war der Mord an Samuel Patty und leider nicht mehr so im medialen Fokus wie es sein sollte war das Attentat auf Salman Rushdie. Die Zahl der Menschen, die unter Polizeischutz leben müssen, weil sie gegen die Dogmen des Islams verstoßen haben, wird in Deutschland, Europa und auch in anderen westlichen außereuropäischen Staaten auf erschreckende Weise immer länger. Was aber noch beunruhigender ist: Es ist die moralische Unterstützung, die die Täter regelmäßig aus der muslimischen Community erhalten. Von offensiven Gewaltaufrufen über Schadenfreude bis hin zur „Ich bin gegen Gewalt, aber man provoziert nicht“-Attitüde finden auch noch die oberflächlich friedlichsten Muslime einen Weg, Gewalt im Namen Allahs zumindest zu bagatellisieren. Sie berufen sich auf die Religionsfreiheit, erkennen aber nicht, dass Religionsfreiheit nur die Freiheit vor Verfolgung und Repressionen heißt. Es ist auch das, was Voltaire in einem Werk „Über die Toleranz“ gefordert hat: Die Gewissensfreiheit, also die Freiheit, seine eigene Religion zu wählen und die Freiheit vor jeder Verfolgung. Zwar dachte der bekannte französische Aufklärer damals nicht an die Meinungsfreiheit und ob er Mohammed Karikaturen, die beleidigend wirken können, tatsächlich gebilligt hätte, darf angezweifelt werden. Doch seit jenen Tagen der Aufklärung bis hin zur modernen Gesellschaft sind noch weitere Jahrhunderte ins Land gezogen, die zusätzliche Veränderungen mit sich gebracht haben.

Nun liegen uns schriftlich niedergelegt verschiedene Rechte vor, die jedem Menschen zuteilwerden, die das Ergebnis des anfänglichen Aufklärungsprozesses sind. Keiner der dort festgehaltenen Punkt gewährt einen apodiktischen Anspruch auf unverletzte Gefühle. Ob Künstler, Unternehmer, Sozialisten, Kapitalisten, Hippies, Homosexuelle oder Heterosexuelle, Deutsche oder Migranten – jeder muss damit rechnen, dass das Prinzip der freien Rede ihn mit Aussagen konfrontieren lässt, die auf ihn anstößig wirken können oder ihn sogar empören. Dafür hat er aber genauso das Recht, etwas zu sagen, dass jemand anderen stört. Würden wir Gefühle als Maßgabe für die Grenzen der Meinungsfreiheit festlegen, dann regierte die blanke Willkür.
In dem Moment allerdings, da wir sagen, dass eine Ideologie (und nichts anderes als eine Ideologie ist eine Religion) schützenswerter ist als andere und deren Anhänger besonders sensibilisiert behandelt werden sollten, postulieren wir ein Ungleichgewicht. Ein Sonderrecht, ein Privileg wird zum Grundrecht für eine Minderheit zum Nachteil der Mehrheitsgesellschaft erklärt. Diese entspricht nicht mehr der Maxime der Gleichberechtigung, sondern verleiht der Lehre von einem übergeordneten Wesen, das die irdischen Gesetzte aushebelt, eine Macht, die genau dieser der christlichen Kirche in voraufgeklärten Zeiten entspricht. Eigentlich ist es sogar noch schlimmer: Es besteht im Gegensatz zur damaligen Inquisition keine zentrale Instanz, die die Verfolgung zumindest nach festen Regeln und durch geregelte Prozesse durchführt. Der Anschlag auf Salman Rushdie sowie die Fatwa, die zu dieser Tat aufgerufen hat, zeigen, dass die heutigen Verfolger in der islamischen Welt jeder sein kann, der nur fest genug an die Unumstößlichkeit der Befehle glaubt, die Mohammed für über 1000 Jahren gegeben hat. Man muss selbst auch niemals Gewalt ausüben, um den Tätern zuzusprechen. Letztendlich ist jeder Muslim, der glaubt, dass seine religiösen Gefühlen über allem stehen, Teil dieses Systems, das darauf aufbaut, zuverlässig einen neuen Nachschub an Fanatikern zu generieren.

Es muss dabei allerdings nicht mal in Gewalt gipfeln. In den Niederlanden hat man vor ein paar Jahren etwa eine Neuauflage der Göttlichen Komödie herausgebracht, aus der Mohammed herausgeschrieben wurden. Es sind diese Vorstellungen von falscher Toleranz und absurder Rücksichtnahme auf die überempfindlichen Befindlichkeiten andere, die westliche Medienhäuser dazu verleiten, von selbst aus literarische Klassiker umzuschreiben und damit Kultur auszuradieren. Auch wenn es hier nicht um direkte Drohungen geht – dass eine Religion im 21. Jahrhundert überhaupt ein Grund ist, Weltliteratur zu verändern, zeigt das machtvolle Wesen des Islams, der seinen Machtanspruch mit Gewalt und Opferstilisierung im Westen geltend macht. Jahrzehnte der Islam-Apologetik haben quasi zu einer Art Selbstkonditionierung in der Rückabwicklung aufgeklärter Werte geführt.
Das Versagen des Kulturrelativismus
Aber warum konnte es soweit kommen? Einen gewichtigen Grund sehe ich in der Praktizierung eines verfehlten Kulturrelativismus. In einer Zeit, in der die multikulturelle Gesellschaft zum idealen Gesellschaftsbild hochstilisiert wird, war es die logische Konsequenz, dass der Gedanke der Aufklärung sich auch Feinden entgegengestellt sieht. Auch wenn es manche Menschen immer wieder behaupten, dass alle Kulturen ihren gleichen Stellenwert hätten, so ist dem nicht so. Ohne Frage: Jede existierende Kultur hat seinen angestammten Platz auf dieser Erde, sein Existenzrecht ist völlig losgelöst vom Einfluss anderer. Manche Kulturen können sogar problemlos nebeneinanderleben, wenn einige Grundlegende Parameter stimmen. So gestaltet es sich als wenig problematisch, wenn Japaner im Westen leben. Auch wenn hier einige kulturelle Unterschiede bestehen, so gibt es keine Grundlegenden Divergenzen bei der Betrachtung der regulären Staatsform, wohingegen in der islamischen Welt die Religion nicht nur Glaube ist, sondern ein Politikum, das maßgeblich für den staatlichen Aufbau ist und das das Leben bis ins Detail regelt. Alle islamischen Staaten haben zudem noch die Kairoer Erklärung unterzeichnet und damit die Sharia über die Menschenrechte gestellt. Daraus ergibt sich bereits ein unüberwindbarer Antagonismus zum säkularen oder gar laizistischen Staatswesen im Westen.

Oder werfen wir einen Blick nach Afrika. Erst kürzlich kam es auf Madagaskar zu schweren Unruhen aufgrund der Entführung eines Albino-Menschen, eine Tat die von Seiten der Bevölkerung mit einem Akt der Selbstjustiz quittiert wurde. Aberglaube und das Recht des Stärkeren regieren in solchen Ländern. Genitalverstümmelung, Zwangsehen und weitere archaische Rituale sind kulturelle Bestandteile, die man als Teil der dortigen Länder hinnehmen muss, die aber offenkundig nicht den zivilisatorischen Anspruch erfüllen, den wir eigentlich in Europa hegen sollten. Hier darf man sich zurecht die Frage stellen, ob ein Zusammenleben mit solchen Mentalitäten klappen kann. Kultur ist prägend. Sicherlich gibt es einzelne Individuen, die sich davon emanzipieren können, aber in der großen Masse funktioniert dies nicht, vor allem dann nicht, wenn man segregierte Parallelgesellschaften zulässt, die eine Aufgabe von Altbekanntem nicht erforderlich machen. Der perfekte Nährboden für aggressive Kulturen, in denen übermäßige Toleranz nicht die Bedeutung einnimmt, wie sie Realitätsverweigerer gerne der gesamten Welt zuschreiben möchten. Relativistische multikulturelle Ansätze öffnen in letzter Konsequenz Tür und Tor für Monokulturalismus in seiner chauvinistischsten Form – zu sehen in verschiedenen Brennpunktvierteln, die auf dem Papier multikulturell sind, in der Praxis jedoch immer wieder von den gleichen Kulturen geprägt werden.
Die woke Linke
Befeuert wird diese Fehlentwicklung von jenem Teil der Linke, die sich woker Identitätspolitik und dem Kult des Kulturrelativismus verschrieben hat. Es sind jene, die zwar sofort das Wort erheben, wenn es darum geht, das Christentum und die katholische Kirche zu kritisieren (oftmals zurecht), aber ebenso auf besonders aggressive Weise dagegenreden, wenn man Kritik am Islam übt. Und sie widersprechen dann nicht mit dem argumentativen Wort. Sie stürmen Veranstaltungen, rufen zum Boykott auf, hetzen gegen Redner und üben Psychoterror. Gleichzeitig hoffieren sie Antisemitismus auf göttlichem Befehl hin und befördern echte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die sie vorgeben zu bekämpfen. Und das alles nur, weil man im Islam einen würdigen Partner sieht in seiner Verachtung gegenüber dem Westen, jenen Westen, dessen Werte man gleichzeitig ausbeutet. Einerseits ist die westliche Welt an allem Übeln der Welt Schuld, gleichzeitig beruft man sich auf Meinungsfreiheit und andere Grundrechte, die eben erst im Zuge der europäischen Aufklärung entstanden sind und von denen heute Menschen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und Herkunft profitieren. Und wiederum im gleichen Atemzug verachtet man diese Werte und unterdrückt Meinungen, die von der eigenen Ideologie abweichen unter dem Vorwand des Progressiven. Rückschritt durch Fortschritt kann man sagen. Die Errungenschaften der Aufklärung sollen in einem Fortschrittsprozess aufgelöst und durch den Atavismus des religiösen Dogmatismus abgelöst werden, der uns als Teil der Agenda „Diversity is strength“ verkauft wird, ohne zu definieren, woraus wir genau die Stärke beziehen können und worin sich diese manifestiert.
Nicht nur das Thema Islam
Es ist aber nicht nur das Thema Islam, an dem sich die Verwahrlosung der intellektuellen Debattenkultur erkennen lässt. Wie selbstverständlich werden nun Bücher zurückgezogen, weil ein Twittermob tobt und Autoren von Aktivisten unter Druck gesetzt, wenn sie als angeblich rassistisch, sexistisch, homophob oder transphob identifiziert werden. Gefordert wird Toleranz, erwartet wird Akzeptanz und wenn jemand nicht die emotionalen Erwartungen einer Minderheit erfüllt, wird er als feindlich gesinnt betrachtet nach dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Als besonders fanatisch hat sich in den letzten Jahren der Transaktivismus hervorgetan, der Schriftstellerinnen wie J.K Rowling bedroht und Professorinnen wie Kathleen Stock aus ihrem Amt drängt. Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch verdammt mit der Aspiration, generelles Wohlwollen von allen zu erzwingen und damit gegen Rousseaus Kernwesen der Freiheit zu verstoßen. Es sind nun nicht mehr Bibel und die Worte des Priesters, die uns gefälligst zu gefallen haben, sondern die Worte von Anti-Diskriminierungs-Aktivisten und deren Bücher und Seminare, die sie für gutes Geld anbieten und aus dem Kampf gegen Diskriminierung ein rentables Geschäft machten – wie eben auch dem Klerus von früher nachempfunden.

Wie sehr uns dadurch der Blick für das Wesentliche verdreht werden soll, lässt sich exemplarisch an der Berichterstattung über das neue Buch von J.K. Rowling darstellen, in dem es um Cyber-Mobbing geht. „Echokammer des Schreckens“ titelte eine Headline, „Opferstilisierung“ heißt es anderswo. Und auch in den sozialen Netzwerken brodelt es im Sumpf der Häme über die vermeintliche Opferumkehr. Was dabei geflissentlich übersehen wird: Rowling macht sich nicht zum Opfer, sie ist es. Die Autorin hat nie in irgendeiner Weise das Lebensrecht anderer Menschen abgesprochen, alle ihre Äußerungen waren nicht justiziabel und von jeder Meinungsfreiheit gedeckt. Was jedoch nicht in dieser Freiheit inkludiert ist, sind Morddrohungen gegen Rowling, die in der Tat ihre Rechte verletzen. Solche Drohungen richten sich gegen jedes zivilisierte Fundament und die Unverletzbarkeit der Würde. Dass die Medien jedoch die Realität dieser Drohungen ignorieren und stattdessen ihr Augenmerk auf die völlig legitimen Äußerungen einer Schriftstellerin richten und sie als Täter darstellen, offenbart die völlige Verschiebung dessen, was den Konsens in einer liberalen Gesellschaft ausmacht. Statt, dass eine großflächige Empörung darüber umhergeht, dass echte Grundrechte verletzt werden, sieht es die politisch korrekte Haltung vor, sich dort zu entrüsten, wo jemand sein Ego und seine Gefühle angekratzt sieht. Gefühle geben das Rechtmäßige vor und legitimieren auch die Unterminierung von Recht. Die Grenzen des Sagbaren und der Rahmen des Konsens werden nicht mehr von der Legislative und der Judikative bestimmt, sondern vom moralischen Herrschaftsanspruch selbstgerechter Aktivisten unterstützt von einer Schreiberschaft, die sich unter dem Deckmantel des Journalismus ganz dieser Ideologie verschrieben hat.
Selektiver Humanismus
Wie sehr der vorgebliche Anspruch der selbsternannten Humanisten von ihrem tatsächlichen Handeln abweicht, führt der plötzliche Tod von Queen Elizabeth die II. vor Augen. Für Hobby-Jakobiner, die liebend gerne mit Jahrhunderten Verspätung französische Revolution spielen wollten, ergab sich ein vortrefflicher Anlass, ihre Meinung über die Sinnhaftigkeit der Monarchie in der heutigen Zeit in den Äther zu blasen. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist schockierend.
So twitterte die Uju Anya, Professorin an der Universität Pittsburgh:
„Ich habe gehört, dass die oberste Monarchin eines diebischen, vergewaltigenden Völkermordimperiums endlich stirbt. Möge ihr Schmerz entsetzlich sein. Diese elende Frau und ihr blutrünstiger Thron haben Generationen meiner Vorfahren auf beiden Seiten der Familie gefickt, und sie hat eine Regierung beaufsichtigt, die den Völkermord unterstützt hat, den meine Eltern und Geschwister überlebt haben. Möge sie qualvoll sterben.“
Und Jasmina Kuhnke, selbsternannte Quattormilf (das ist die, die auf der Frankfurter Buchmesse ihren Opferkult zelebriert hat) gab Folgendes von sich:
„Liebe weiße Europäer, euch ist klar, dass Schwarze nicht trauern, wenn ein weiterer Kolonisator stirbt? Sie ist alt genug. Lasst sie und das ganze Kolonialsystem endlich in Frieden gehen.“
Ist das die Tonalität, mit der der Kampf für eine gerechte Gesellschaft geführt werden soll? Sind das die Worte des Fortschritts? Gegen Monarchie zu sein, macht einen nicht zum Aufklärer genauso wenig wie Antifaschisten automatisch Demokraten sind. Denn die Aufklärung hat auch vor der englischen Monarchie nicht haltgemacht. Bereits Thomas Hobbes skizzierte in seinem „Leviathan“ die Grundrisse eines sogenannten aufgeklärten Absolutismus, ein Modell von dem auch Friedrich II. von Preußen seine Eigenbezeichnung „erster Diener des Staates“ ableitete. Die parlamentarische Monarchie ging weit darüber hinaus und hat mit keinerlei Absolutismus mehr zu tun. Hobbes Ideen waren erste Gedankenanstöße für die Geschichte des Liberalismus und wurden konsequent weiterentwickelt, die Briten genießen genau die bürgerlichen Freiheiten auf Basis der allgemeinen Menschenrechte wie alle anderen Europäer. Schon lange sind die Kolonien kein Thema mehr. Das Commonwealth existiert nur noch auf dem Papier und das englische Staatsoberhaupt gilt auch in den ehemaligen Kolonien nur noch der Tradition nach als die höchste Person im Staat – nimmt aber vor allem repräsentativen Charakter ein. Mal abgesehen davon, dass das Commonwealth noch immer wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, weshalb die Zustimmung in den zugehörigen Ländern zur Monarchie noch immer recht hoch ist. Aber dennoch finden dort freie Wahlen statt, in denen die Menschen den Regierungschef wählen, auch über den Verbleib im Commonwealth wurde in einigen Ländern bereits abgestimmt – ebenso zugunsten der Monarchie. Es ist daher unangemessen, so zu reden, als hätten wir es noch immer mit einem absolutistischen System im 18. Jahrhundert zu tun.

Was aber noch schlimmer ist. Sowohl Frau Anya als auch Frau Kuhnke betrachten die Queen in ihren Aussagen nicht als den Menschen, als das Individuum, das sie war, sondern hemmungslos entmenschlichend nur als Funktion eines Systems. Sie ignorieren völlig, dass Queen Elizabeth II. in dieses System geboren wurde und keinerlei Verschulden daran hatte, was vielleicht frühere Vertreter des Königshauses verbrochen hatten. Allein, dass sie ein Royal ist, reicht um ihr eine Erbsünde aufzulegen und der Verdammung preiszugeben. Dass sie die Monarchie etwas modernisiert hat, volksnaher gemacht hat, all ihre Beiträge zur Völkerverständigung nach dem zweiten Weltkrieg und dem Abgange der letzten Kolonien – das zählt alles nicht. Anya und Kuhnke entmenschlichen, kollektivieren, teilen in Gruppen ein und nehmen in Sippenhaft – alles Eigenschaften, die nichts mit einem aufgeklärten Menschenbild zu tun haben, sondern tatsächlich einer Geisteshaltung aus dem tiefsten Mittelalter lange vor jedem Aufklärungsprozess entspringen. In diesem Sinne sind die heutigen Royals deutlich moderner als jene woken Linken, die jede Gelegenheit suchen, ihren Furor herauszulassen und den Gerechtigkeitsbegriff missbrauchen, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten.
Die Aufklärung stirbt am Ressentiment
Den Begriff des Ressentiments habe ich in früheren Beiträgen bereits betrachtet. Letztendlich bildet er den Dreh- und Angelpunkt der woken Ideologie, der die politische Linke anheimgefallen ist. Ob es gegen die weiße Mehrheitsgesellschaft geht, gegen heteronormative CIS-Menschen, das Christentum, gegen Königshäuser – Ziel ist es nicht, einen Dialog der Verständigung zu erschaffen, sondern mit möglichst martialischer Rhetorik zu spalten und Gegenaggressionen zu schüren. Die Werte der Aufklärung müssen sich dem Willen unterordnen Unrecht (und was man dafürhält) mit Unrecht zu vergelten. Dabei sind sich die Vertreter dieser Ideologie nicht zu schade, mit Kräften zu paktieren, die im Wesentlichen eine völlig andere Weltanschauung in sich tragen (wie tolerant kann der Islam gegenüber Transmenschen und Homosexuellen etwa sein?). Der einzige verbindende Nenner ist der Hass auf die westliche Welt, auf das weiße Europa. Wir stehen nicht nur vor einem Kulturkrieg, sondern befinden uns schon inmitten diesen. Die Frage ist nur, ob man dessen Eskalation noch irgendwie vermeiden kann. Ich sehe hier vor allem konservative und liberale Parteien in der Pflicht, endlich eine Grenze zu ziehen, wenn Grundrechte, Aufklärung und Humanismus weiterhin unser Leitbild sein sollen und wir weiterhin in einer echten freien Gesellschaft leben wollen. Die politische Linke hat sich in weiten Teilen schon längst in diesem Irrgarten des Tocqueville-Paradoxon verrannt, übersieht all die Freiheiten, die jedem Menschen bereits zuteilwurde und konstruiert immer wieder ein neues vermeintliches Unrecht, das es zu bekämpfen gilt, bis der Kampf zum Selbstzweck verkommen ist und alles im blanken Nihilismus versinkt.
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