Es war nicht das erste Mal, dass der dänisch-schwedische Anwalt und Politiker Rasmus Paludan mit einer spektakulären Aktion Aufsehen erregte, in deren Rahmen er eine Koranverbrennung durchführte. Und wie zuvor ließ sich dasselbe Ergebnis feststellen: Von „Allahu Akbhar“-Rufen begleitete Ausschreitungen, Gewaltexzesse und verletzte Polizisten. Die Berichterstattung zu den Vorkommnissen war bemerkenswert. „Ausschreitungen nach rechter Demo“ titelte etwa die Tagesschau und verfälschte damit den eigentlichen Vorgang vollkommen. Eine Headline, maßgeschneidert für das anvisierte Klientel der Islam-Apologeten, denn wenn man so durch die sozialen Netzwerke schaut, gibt es doch genug Menschen, die das Problem nicht darin sahen, dass Gläubige ihre verletzten Gefühle als Vorwand nehmen, Gewalt auszuüben, einmal mehr war es die Provokation, der Tadel gilt und die mit der Peitsche der Geißelung gestraft werden sollte. Warum muss man provozieren? Warum kann man die Gefühle der Gläubigen nicht respektieren? Diese und weitere Fragen, die schon zu Zeiten des Anschlags auf Charlie Hebdo durch den Äther geisterten, machten erneut die Runde und stellen die Meinungs- und Kunstfreiheit wie so oft auf die Probe.

Keine Freiheit ohne Provokation
Ich komme gleich auf den Punkt. Selbst wenn Paludans Handlung eine inszenierte Provokation war, so ist sie definitiv von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt. Die Freiheit gewinnt ihren Charakter als Freiheit dadurch, dass sie nicht nur in der Handlung gewährt wird, sondern auch in der Intension. Im grundrechtlich gewährten Spektrum des Meinungskampfes muss nicht mal irgendwer jemandem Rechenschaft über den Grund einer Aussage oder Tat ablegen. Wenn etwas legitim ist, dann ist es legitim, auch wenn eine provokative Absicht dahintersteckt. Provokation hat die Menschheit von da an begleitet, als sich Kunst und Kultur als Teil der Gesellschaft entwickelt haben und die politischen Systeme immer komplexer wurden. Im Laufe der Jahrtausende kamen immer mehr Ansichten hinzu, immer mehr Erfahrungen, immer mehr Vorhaben und Ideen. Und mit dieser zunehmenden Komplexität des menschlichen Miteinander war es allzu leicht, bei jemandem anzuecken. Der eine fühlte sich angegriffen, weil seine politische Ideologie in Misskredit gezogen wurde, der andere war erbost darüber, dass seine Religion nicht die Wertschätzung erfuhr, die er von jedem erwartet. Andere halten sich für einen großen Künstler und sind beleidigt, wenn die Rezensionen nicht so ausfallen, wie sie sich es vorstellen. Und wiederum gibt es Menschen, die allzu sensibel reagieren, wenn ein Witz über ihnen nahestehende Personen fällt. Jetzt kann man natürlich sagen, man muss akzeptieren, wenn eine Person etwas nicht mag und davon ablassen. Da jedoch die Aversion gegen Witze, Sprüche, Kunstaktionen oder generellen Meinungsäußerungen ein kompliziertes Gebilde sein kann, das sich aus zahlreichen Erfahrungsschätzen, kultureller Prägung und persönlichen Zäsuren im Leben zusammensetzt, kann man nie sicher sein, woran man bei einem Individuum ist.

Kurz gesagt: Es ist immer möglich, jemanden in seinen Gefühlen zu verletzen. Und diese kalkulierte Verletzung von Gefühlen war seit jeher Bestandteil des Diskurses und auch im Kunstetablissement. Oder in der Philosophie: Bereits Sokrates war zu seiner Zeit ein Provokateur, dessen Thesen ihm letztendlich die Todesstrafe einbrachte. In der Moderne waren es Regiesseure wie Pier Paolo Pasolini, der mit seinem Werk „Die 120 Tage von Sodom“ einen Frontalangriff auf die Sittlichkeit startete. Im 16. Jahrhundert war es der Humanist Erasmus von Rotterdam, der den Klerus durch Bibelübersetzungen in Aufruhr versetzte (zu einer Zeit, in der das heilige Buch noch als das unantastbare Wort Gottes galt). Nehmen wir dazu jeden weiteren beliebigen Aufklärer und Kirchenkritiker her. Jan Hus, Descartes, Voltaire. Sie waren alle Provokateure. Galileo Galilei war ein Provokateur. Nietzsche war einer, dessen Schriften sicherlich so manchen Christen noch immer brüskieren. Aber es waren mitunter Provokationen ihrer Art, die die als Akzelerator für die Entwicklung der Menschheit fungierten. Hätte damals wie heute niemand gewagt zu provozieren, wer weiß, wo wir heute stehen würden.
Zwischen den drei genannten Beispielen verging ein ordentlicher Zeitraum, der zudem den Vollzug der europäischen Aufklärung umfasst, die, so glaubt man zumindest, uns von dogmatischen Zwängen befreit hat. Man kann sich natürlich noch immer über etwas aufregen, muss sich aber bewusst sein, dass, wenn man von jemandem erwartet, von etwas abzulassen, weil man damit nicht einverstanden ist, dass irgendwer dann zu einem selbst herkommt und die Unterlassung einer Handlung fordert. Und der wiederum wird von einer weiteren Partei in die Schranken gewiesen. Menschen fühlen sich immer wegen etwas beleidigt. Markieren Gefühle die Grenzen der Freiheit, dann dürfte bald gar nichts mehr gesagt haben. Damit relativiert sich auch die Provokation, da diese immer von jedem anders aufgefasst wird. Eine gleichförmige kollektive Wahrnehmung erfolgt allenfalls innerhalb einer gleichförmigen Masse, etwa in der Gruppe der gläubigen Muslime. Aber nur, weil eine größere Gruppierung von Menschen etwas als Provokation empfindet, heißt das nicht, dass Menschen, die das nicht so sehen, diesem Empfinden folgen müssen. Auch Filme wie „Das Leben des Brian“ mögen von dem einen oder anderen als Provokation aufgefasst werden. Das heißt aber nicht, dass jeder andere dieses Empfinden teilen muss. Wenn die Freiheit dort ihre Grenze erreicht, wo sich jemand provoziert fühlt, dann existiert diese Freiheit einfach nicht, weil sonst jeder nach Belieben eine Meinung oder eine Aktion als Provokation betrachten und deren Negierung einfordern kann.

Freiheit im liberalen Sinne heißt nicht, dass man machen kann, was man will, sondern nur, dass man nicht machen muss, was man nicht will. Und in diesem Sinne muss ich keiner Ideologie und keiner Weltanschauung huldigen oder Gefühlen gut zureden, nur damit sich eine Person oder Gruppierung in ihrem Wohlgefühl sonnen kann. Und da Gefühle eben unmöglich als Grundrecht gelten können, weil darauf basierend reine Willkür herrschen würde, ist niemand verpflichtet, die Befindung eines Menschen zu bewahren. Gefühle zu verletzen, ist keine Einschränkung von Freiheit anderer. Wenn dem so wäre, dann hätte in letzter Konsequenz jeder Mensch das Anrecht darauf, Liebe zu erfahren und diese einseitig einzufordern. Gut. In bestimmten Teilen der Welt mag dies noch üblich sein. In Europa allerdings nicht.
Bücherverbrennung – ist das nicht etwas heikel?
Jetzt können wir uns im nächsten Schritt noch Gedanken darübermachen, ob eine Bücherverbrennung – ganz gleich, welchen Inhalt eine Schrift aufweist – grundsätzlich zu verurteilen ist und einen anti-demokratischen Akt darstellt. Nun. Das wäre sie ohne Zweifel bei einer forcierten Durchführung, wenn Bücher im großen Rahmen eingesammelt werden würden mit dem Ziel, einen Inhalt komplett auszulöschen. Dies lässt sich bei Paludans Schauspiel nicht erkennen. Hier ging es nur um die Verbrennung von Einzelstücken ohne die Auslöschung des Geistes, der dort innewohnt und nur zu dem Zweck, eine Reaktion auszutesten. Dies muss man nicht mögen, doch letztendlich waren die Koran-Exemplare käuflich erworben und damit Eigentum. Und jeder darf sein Eigentum auch zerstören, wenn ihm danach ist. Und falls jemand vom hohen deutschen Ross herunterblickt: In Deutschland werden Medienträger zerstört. Etwa im Falle einer Einziehung nach § 131, dem bekanntermaßen zahlreiche Filme, Spiele und CDs zum Opfer fielen. Die Gesetzgebung sieht hier als höchste Maßnahme die Unbrauchbarmachung eines Mediums vor, um eine Vervielfältigung zu verhindern. Da sich Deutschland also vorbehält, unter dem Deckmantel Jugendschutz, künstlerische Medien im großen Stil zu zerstören und zu verbannen, betrachte ich es als unangemessen, sich über die Verbrennung einzelner Bücher zu echauffieren. Denn gerade im Digital-Zeitalter sehe ich nicht, warum moderne Medien noch eine andere Stellung als klassische Bücher haben sollten. Und offenkundig sieht der Staat unter bestimmten Voraussetzungen die Vernichtung von Medien als gerechtfertigt an – und dies nach offiziellen demokratischen Richtlinien. Ich vermute stark, dass auch andere demokratische Länder ähnliche Möglichkeiten haben, um bestimmten unerwünschten Medien habhaft zu werden und deren Verbreitung zu unterbinden. In wie fern ist es dann demokratiefeindlich, wenn im Rahmen einer Politveranstaltung einzelne Medien zerstört werden, um eine Reaktion auszutesten? Vor allem dann, wenn es eben nicht darum ging, einen Gedanken restlos aus der Welt zu entfernen.

Im Großen und Ganzen bin ich zwar nicht ganz begeistert über die Zerstörung eines Buches ganz gleich wie unheilvoll der Text ist, doch die gewaltsame Reaktion darauf rechtfertigt dieses Unterfangen nicht. Das Recht auf Meinungsfreiheit hat für mich höheres Gewicht.
Provokation als generelle Rechtfertigung für fragwürdiges Verhalten
Dass Muslime Provokation als Vorwand für Zorn oder gar religiös motivierte Gewalt nutzen ist nun nichts Neues. Diese Mentalität ist das Symptom einer Krankheit in Form eines Religionsverständnisses, das wir in Europa als überwunden glaubten und das wieder Einzug hält. Und es ist das Resultat eines real praktizierten Islams, der noch immer mehr Politikum als spirituelle Lehre ist. Und mag es liberale Muslime geben, die sich kaum um die Koranverbrennung und andere Angriffe auf ihren Glauben scheren: Es verschleiert nicht, wie dogmatisch der Islam von seinen klerikalen Instanzen in seinen Heimatländern gelehrt wird. Daran ändert sich nichts, weil es einzelne Individuen vermögen, aus diesem festgefahrenen Konstrukt auszubrechen. Viel zu viele schaffen dies jedoch nicht und sie wollen es auch nicht. Die Vergangenheit zeigte zudem, dass es nicht einmal so eine Extrem-Provokation brauchte, um Hass und Wut zu wecken. Manchmal reichte schon ein kleines Bild oder ein Buch, das sich kritisch mit dem Islam befasst.
Doch auch außerhalb des Elfenbeinturms des islamischen Herrschaftsanspruches lässt sich dieser Vorgang in unterschiedlichen Ausprägungen herauslesen. Da gäbe es den Fall des Drachenlords, wenn ein Online-Kollektiv sich gemeinschaftlich versammelt, um einen Menschen zu stalken, der vielleicht viel Unsinn von sich gegeben hat, auch das eine oder andere Mal provoziert, aber letztendlich niemandem schadet. Und wir waren Zeuge der jetzt schon Meme-trächtigen Ohrfeige, die Will Smith Chris Rock verpasst hat, der eine Provokation dadurch wahrnahm, dass vermeintlich die Ehre seiner Ehefrau herabgesetzt wurde.

Ob jetzt allerdings Muslime gewalttätig werden, Schauspieler eine Backpfeife austeilen oder ein Mob Psychoterror ausübt: In all diesen Beispielen findet das immer gleiche Muster statt. Eine Provokation, die letztendlich nicht mehr als Gefühle verletzt, darf als Grund herhalten, sich echter Gewalt zu bedienen, um damit eine vorgebliche Ehre wiederherzustellen oder den Provokateur zu bestrafen. Sollte dieser Atavismus auf der Zivilisationsstufe sich durchsetzen, dann könnten wir gleich das Duell im Morgengrauen wiedereinführen, in der jeder einen Kontrahenten herausfordern kann, um Satisfaktion zu erlangen.
Ich würde ungern in solch anachronistischen Zeiten leben und spreche mich weiterhin für den Wert der Provokation aus: Gebildete und erzogene Menschen sollten soweit in der Lage sein, ihre Gefühle zu kontrollieren. Verfügen Sie nicht über die Selbstbeherrschung, dann ist die Schuld bei ihnen zu suchen. Der Täter ist der, der eine strafrechtliche Tat begeht, egal wie groß die Provokation ist. Wenn diese Provokation rechtlich gedeckt ist, dann gibt es nie einen Grund, dieser mit Gewalt und anderen rechtstaatlich bedenklichen Handlungsweisen zu entgegnen. Wenn Gefühle die Grenzen der Freiheit bestimmen und sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen, dann steuern wir auf nicht weniger zu als auf die Herrschaft dauerbeleidigter Willkür. Bezüglich der Ausschreitungen in Schweden ist der Vorwurf in eine Richtung zu machen: In Richtung der muslimischen Gemeinschaft, in der noch ein veraltetes Religionsbild gehegt wird.
Wenn man es ganz genau nimmt Christian, sind wir, die westliche Welt und nicht zu vergessen Israel, die Provokation für Muslime schlechthin. Unsere Anwesenheit stört sie schon.
Du hast viele Dinge aufgezählt, die im Detail Muslime ärgern, ein Detail fehlt noch, das ist das sogenannte „Augenstechen“. Es wird in der Sunna des Propheten Mohammeds beschrieben und auch im Koran gibt es eine Sure dazu.
Vielleicht ist es Dir oder anderen schon einmal aufgefallen, aber wenn Du einen Muslim längere Zeit in die Augen schaust, sagen wir mal 30 Sekunden um eine Zeitangabe zu nennen, fühlt sich der „friedliebende“ Muslim provoziert. Wenn man Glück hat, kommt man mit einem blauen Auge davon, andere, die weniger Glück haben, landen im Krankhaus oder six feet under.
Etwas Gutes liegt aber auch in der Provokation. Man kann sehr schnell erkennen, welch Geisteskind der Muslim ist, und auch da werden einige erstaunt sein, wie viele es sind. Es gibt Ausnahmen klar, aber die Ausnahmen fallen schon lange nicht mehr ins Gewicht.
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Ok. Ich gebe zu, der Begriff des Augenstechen war mir jetzt gar nicht geläufig. Danke für die Info. Aber ja, du hast Recht: In der Provokation erkennt man die wahre Mentalität. Haltung bewahren kann jeder, wenn man ihm gutzuredet. Wie man auf etwas reagiert, dass einen düpiert, da trennt sich dann der zivilisierte Geist von der Barbarei.
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