Buchvorstellung: Schäm dich! Wie Ideologinnen und Ideologen bestimmen, was gut und böse ist

Dass eine Musikerin von einer Veranstaltung ausgeladen wird, weil sie weiß ist, ist eine weitere Station, die der Woke-Zug bedient, aber bei weitem nicht die einzige Haltestellte und definitiv noch nicht das Ziel. Und ja: Wenn Friday for Future eine Person auslädt, weil es ihr wegen ihrer Hautfarbe angeblich nicht zusteht, eine bestimmte Frisur zu tragen, so geschieht dies nur deswegen, weil sie weiß ist, ganz gleich welche Verrenkungen man sich bemüht, um dem Konzept der sogenannten „kulturellen Aneignung“ einen pseudo-intellektuellen Unterbau zu verleihen. Wer sich aber diesen Wokeismus etwas genauer betrachtet und dabei einen Blick auf sein Heimatland, den USA, wirft, der dürfte von so einer Vorgehensweise kaum überrascht sein. Tatsächlich gehört das noch zu den harmloseren Entgleisungen, die sich die Vertreter dieser Neo-Postmoderne erlauben. Einerseits sich in Teilen auf die klassische Postmoderne beziehend, die sich mit den Thesen Michel Foucaults herausgebildet hat, nehmen sie sich einzelne Elemente kritischer Gesellschaftsbetrachtungen heraus und erweitern diese um Lehren ohne jeden empirischen Anspruch. Dazu noch etwas von der Filterblase der kritischen Theorie und heraus kommt ein ideologischer Mischmasch, der sich wichtiger macht als er ist und sich zu einer Philosophie aufbläst, die jegliche Grundlage philosophisch-logischer Argumentation vermissen lässt.

Verfälschung von Begrifflichkeiten

Auf die philosophischen Ursprünge dieser woken Ideologie geht auch die Autorin und Philosophin Judith Sevinc Basad in ihrem Buch ein. Dabei erklärt sie genau, warum diese Ideologie den philosophischen Ansprüchen jedoch nicht genügt. Ebenfalls fokussiert sie die Gefahr, die sich aus der Verdrehung elementarer Begrifflichkeiten aus Foucaults Diskurs-Theorie ergibt. Ich selbst habe ja in vergangen Beiträgen ebenfalls moniert, dass Termini wie „Diskurs“ und „Narrativ“ gerne in ihrer eigentlichen Bedeutung verfälscht werden, um bestimmte Meinungen zu forcieren und andere auszuschließen. Dementsprechend werde ich diese Erörterung an dieser Stelle nicht wiederholen. Doch lege ich jedem nahe, sich ausgiebig mit diesem Thema zu befassen. Es ist von höchster Relevanz, sich dem eigentlichen Sinn solcher Begriffe gewahr zu werden, um zu differenzieren, was einen echten freien Diskurs ausmacht.

Die Basis der politischen Korrektheit: das Ressentiment

Zu Beginn des Buches beschreibt die Autorin ein Experiment, das von der Lehrerin Jane Eliott ins Leben gerufen wurde, den sogenannten „Blue Eyes Workshop“. Dabei handelt es sich ein bis heute angewendetes Verfahren, dem sich das ZDF bereits in einer Doku völlig unkritisch gewidmet hat. Dabei geht es darum, die Teilnehmer in braunäugig und blauäugig zu unterteilen. Im Rahmen des Anti-Rassismus-Trainings wird den Blauäugigen eine niedrigere Position zugeschrieben. Sie werden schikaniert und gedemütigt. Ziel ist es, sie in die Rolle von Rassismus-Opfer zu versetzen und ihnen alle negativen Stereotypen zuzuschreiben, die so in der westlichen Gesellschaft herumgeistern. Abgesehen mal davon, dass diese Methode das Problem aufwirft, sie echte Diskriminierung praktikziert und veranschaulicht, wobei im Alltag die woke Agenda Diskriminierung schon dort geltend macht, wenn sich nur jemand in seinen Gefühlen verletzt sieht (etwa, wenn eine Trans-Person sich schon beleidigt fühlt, weil man die Frage aufwirft, ob eine Trans-Frau mit einer biologisch gebürtigen Frau gleichgesetzt werden kann).

Das Blue Eye-Konzept baut auf ein Prinzip der Selbstgeißelung und des Schmerzes zum Umdenken. Nur wird dieser Schmerz, den man den Teilnehmern beibringen möchte, nicht bei jedem akzeptiert. Hier kommen die sogenannten „White Tears“ ins Spiel, die das Buch ebenso behandelt, eine Spinnerei, die ich persönlich besonders abstoßend finde. So wird in diesem Zusammenhang die Forderung erhoben, dass weiße Menschen, wenn sie sich unglücklich fühlen, ihre negativen Emotionen nicht in der Nähe von Schwarzen zeigen sollen, da diese das angeblich grundlegend höhere Leid, das Schwarze im Gegensatz zu Weißen erfahren, herabwürdigen. Kurzgesagt: Die ganze Woke-Ideologie fußt hier allein schon auf Widersprüche und Inkonsistenz, wenn Weiße durch solche Rollenspiele einerseits Empathie entwickeln sollen, ihre Gefühle dann wiederum nichts wert sind. Weiße haben sich praktisch nur schlecht zu fühlen und sich leiten zu lassen, aber ansonsten keinen Anspruch mehr.  Diese religionsgleiche Praxis, die eine weiße Erbsünde proklamiert und das Heil in der Unterwerfung ausgibt, zieht sich durch die gesamte Woke-Ideologie, was Frau Basad noch an zahlreichen weiteren Beispielen veranschaulicht. Die Autorin taucht ein in eine Welt der Heuchelei und Scheinheiligkeit, in der alles sich zurechtgebogen werden muss, wie es passt. Einfach, weil diese neue Form der Religion zwar Einzug in die akademische Debatte gefunden hat, aber nicht annähernd die Mindeststandards der Forschung erfüllt, was eine empirische Beweislage betrifft, ob all die finsteren Unterdrückungsszenarien überhaupt so existent sind. Es handelt sich um eine Welt, in der es nur darum geht, den eigenen Machtanspruch auszubauen. Es ist das klassische Ressentiment, die Umwandlung der Werte und der Wille zur Macht über andere, der sich im Gewand der Moral präsentiert. Der Anspruch, über Gut und Böse zu bestimmen.

Ein kleiner Überblick über den weiteren Inhalt

Ich halte diese Buchvorstellung etwas kürzer und werde kompakt die anderen Themenfelder nennen, die die Autorin noch anspricht. Kritisch betrachtet Frau Basad:

  • Die Reduzierung der Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau auf den Faktor der Diskriminierung.
  • Die Opferabstufung (POCs mit weißen und schwarzen Elternteilen haben mehr Rechte, ihre Ansprüche geltend zu machen, als Weiße, aber nicht in dem Umfang wie Voll-POCs).
  • Den reinen Volkskörper durch den Kampf gegen kulturelle Aneignung.
  • Die Zusammenarbeit mit Islamisten und die inflationäre Verwendung des Vorwurfs der Islamophobie.
  • Die Allianz zwischen Linken und Muslimen vereint im Antisemitismus unter dem Vorwand der Israel-Kritik und dabei einhergehender Holocaust-Relativierung (der Holocaust war gemäß einiger Twitter-Aktivisten kein rassistischer Akt und Juden sind ihrer Ansicht nach Teil einer weißen Überlegenheit)
  • Journalistischer Aktivismus, der den Zweck des Journalisten-Berufes völlig vergessen hat.

Sicherlich nicht ganz neu, aber dennoch lesenswert

Jetzt ist mir klar, dass viele Missstände, die Frau Basad kritisch bespricht, nicht neu sind, zumal der woke Aktivismus mittlerweile so laut ist, dass bei vernunftbasierter Denkweise jeder erkennen sollte, was sich hinter der Fassade von Gerechtigkeit und Solidarität verbirgt. Doch ich wollte doch dem Anlass gemäß dieses Buch kurz erwähnen und eine Empfehlung aussprechen. Es werden viele Beispiele angeführt, in welche Absurditäten diese Agenda abdriftet und wie sie teilweise nicht einmal mehr die Grenze zum Totalitarismus streift, sondern diese bei Weitem übertritt. Es ist interessant zu lesen, auf welche abstruse Gedanken manche Menschen kommen und gleichzeitig beängstigend. Wer noch immer dem Irrglauben anhängt, dass mit dieser Form des anti-rassistischen Rassismus irgendein hoher Zweck für eine bessere Gesellschaft erfüllt werden soll, der wird nach dem Lesen dieses Buches eines Besseren belehrt.

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