Die Frankfurter Buchmesse präsentiert: Empörungstheater und PR

Erst begonnen, hat die Frankfurter Buchmesse bereits ihren Skandal, zumindest, wenn man das Geschehnis aus einer Blase heraus betrachtet. Nachdem die Twitter-Aktivistin Jasmina Kuhnke ihre Teilnahme an der Messe abgesagt hatte, auf der sie eigentlich eine Lesung aus ihrem Erstlingswerk halten sollte, entbrennt mal wieder etwas, das als Debatte bezeichnet wird, jedoch nur die Proklamierung von Schlagwörtern ist. Grund ist die Präsenz des Jungeuropa Verlags, der der neuen Rechten zugeordnet wird. So ist Verlagschef Philip Stein Teil des Netzwerkes „Ein Prozent“, das vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird. „Rassismus ist keine Meinung“, „Haltung zeigen“, die üblichen Phrasen werden gerade wieder auf der Welle der Empörung durch die sozialen Netzwerke geschwemmt und ermöglichen es, jedem guten Menschen, die nächste Portion Gratismut abzuholen.

Umso angenehmer war das Statement des Messeveranstalters, der sich klar für die Meinungsfreiheit innerhalb des gesetzlichen Rahmens ausgesprochen hat. Gegründet wurde die Messe mit der klaren Satzung, dass keine Zensur ausgeübt wird und dass nur diejenigen Werke unzulässig sind, deren Verbreitung durch das Strafgesetz der Bundesrepublik verboten ist. Dass der Verlagschef Teil eines verdächtigen Netzwerkes ist, ist aber eben noch kein Verbot und auch noch keine Bestätigung der Verfassungsfeindlichkeit. Bedenken wir, dass in der Vergangenheit darüber hinaus durchaus Autoren ihren Platz erhalten haben, die der antisemitischen BDS Kampagne nahestehen, ist es heuchlerisch, sich immer dann zu echauffieren, wenn es um Rechte geht. Hier greift schlicht ein liberales Prinzip, das der Veranstalter hochhält. Die Meinungs- und Publikationsfreiheit wird nun einmal nicht durch eine persönliche Moral bestimmt und es gehört zu einem liberalen Staat dazu, dass man auch Meinungen aushalten muss, die womöglich unerquicklich sind: Völkisches Denken, kommunistische Pamphlete, dogmatisch islamische Lehren (dass der Iran Jahr für Jahr mit ein paar Ständen auftritt und diskussionswürdige Literatur auslegt, war wohl bislang kein Problem) oder vielleicht auch ganz unpolitische Meinungen, die anstößig sein können. Und das ist nun einmal Segen und Fluch der Demokratie zugleich. Dass man Meinungsfreiheit hat, diese aber auch Tür und Tor öffnet für fragwürdige Äußerungen. Aber was fragwürdig ist, das mag jeder subjektiv auffassen. Darum gibt es ja Gesetze, die einen Rahmen bilden. Wer in einem Werk einen strafrechtlichen Verstoß sieht, kann jederzeit Strafanzeige stellen, doch hat es wenig mit einem liberalen Staatsverständnis zu tun, jemandem einen Begriff zuzuteilen, etwa „rechts“ und davon dann abzuleiten, dass alle Publikationen in diesem Zusammenhang grundsätzlich zu entfernen sind. Ich habe mir ein bisschen das Programm des Jungeuropa Verlages angeschaut. Darin findet sich auch das aktuelle Werk von Michel Onfray, einem französischen Philosophen, der sich als Vertreter eines Linksnietzscheanismus betrachtet. Da ich Onfray schätze, werde ich mir das Buch (Titel: Theorie der Diktatur) auf jeden Fall besorgen. An dieser Stelle erwähne ich noch, dass das Original in Frankreich vom Éditions Robert Laffont Verlag veröffentlicht wurde, der bei unseren Nachbarn als einer der bedeutendsten Verlage gilt. Mitnichten können also alle Veröffentlichungen als diffuse Nischenwerke aus einer rechtsextremen Echoblase betrachtet werden. Dennoch werden Bücher aus dem Ausland nur deswegen, weil sie hierzulande ein unliebsamer Verlag verlegt, pauschal mit dem Ad hominem in Misskredit gezogen und ihnen der kulturelle Wert abgesprochen. Das ist in höchstem Maße antiaufklärerisch und unterdrückt die Debattenkultur sowie die Vielfalt der Kunst und der Literatur, für die sich eine Büchermesse starkmachen sollte.

Bild von AhmadArdity by Pixabay

Werbung bei den Followern

Um eine Debatte ging es aber Frau Kuhnke offenkundig eh nicht. Die selbsternannte „Quattromilf“ war, wenn man ihren Werdegang auf Twitter verfolgt, immer vornedran, sich als Opfer einer rechten Kampagne zu stilisieren, unter anderem angeblich ausgelöst durch den WELT Kolumnisten Don Alphonso (der einzige „Beweis“ liegt einfach nur darin, dass Alphonso sie kritisiert hat), während sie selbst gleichfalls ihre Anhängerschaft aufgestachelt hat. Das typische Twitter-Weimar halt, in dem sich alle untereinander die Schädel virtuell einschlagen. Es war auch Kuhnke, die ihre Follower dazu aufgerufen hat den Hashtag Whitedevil zu teilen und bei Twitter trenden zu lassen, eine eindeutig herabwürdigende Bezeichnung für Weiße. Die Frau legt es offenkundig darauf an, zu polarisieren und zu provozieren und äußerte sich selbst immer wieder sehr herablassend vor allem über Menschen mit weißer Haut.

Ihren Rückzug von der Messe hatte sie mit ihrer Bedrohungslage begründet. Ich glaube auch mal, dass es etwaige Drohungen wirklich gab. Die können ernst gemeint sein, der Einschüchterung dienen oder nur die Ergüsse von Trollen sein. In allen Fällen nicht zu entschuldigen. Aber davon abzuleiten, dass ein Mini-Stand mit vielleicht 5 Leuten darum eine Bedrohung für sie wäre, ist absurd. Auch wenn es stimmt, dass Stein sie verbal angegangen hat und mit Abschiebung gedroht hat. Da eine Einzelperson über so etwas ohnehin nicht entscheidet, sind solche Drohungen maximal substanzlose Pöbeleien. Und selbst wenn es um die Sorge geht, dass der Jungeuropa Verlag Rechtsextremisten anziehen würde: Kuhnkes Auftritt war sicherlich seit Monaten geplant, man hätte Vorbereitungen treffen können.  Vor ein paar Jahren etwa war auch Salman Rushdie Gast auf der Frankfurter Buchmesse und dieser Mann lebt mittlerweile seit Jahrzehnten tatsächlich unter Lebensgefahr. Er hat sich dort als Autor präsentiert. Diese Chance, sich als Autorin darzustellen nimmt sich Kuhnke nun selbst. Stattdessen zieht sie sich zurück und bleibt weiterhin als Twitter-Aktivistin in Erinnerung. Aber das war womöglich das Ziel. Persönlich aufzutreten und die Lesung durchzuziehen hätte unter Umständen nicht ganz so viel Publicity gebracht. Andere Autoren mit Migrationshintergrund und aus aller Welt sagen ja auch nicht ab. Wäre die Bühne auf der Messe nicht die ideale Gelegenheit gewesen, nüchtern und sachlich zu debattieren, die eigene Botschaft direkt in einem kulturellen Rahmen zu vermitteln? Nicht mit dem Jungeuropa Verlag hätte man reden müssen, aber mit interessierten Lesern und Kollegen. Der Jungeuropa Verlag ist ohnehin nur ein kleines Licht und hätte wohl kaum Aufmerksamkeit erhalten, wenn man ihn einfach ignoriert hätte. Allerdings wurde er nun größer gemacht, als er ist, damit sich Frau Kuhnke in Szene setzen kann.

Rettet die Demokratie – seid wie ich

Mag das jetzt unsensibel klingen, wenn ich einer Frau Selbstinszenierung unterstelle, die wegen massiven Drohungen sogar umgezogen ist? Nun, revidieren wir mal meinen Einwand, dass sie sich die Chance als Autorin nimmt, ihre Position wirklich auf seriöse und ernsthafte Weise darzustellen und gehen davon aus, dass die Absage aus echter Angst geschah. Sie kann für sich selbst natürlich diese Entscheidung treffen – auch wenn sie aber schlicht nur angewidert wäre, alles in Ordnung soweit. Aber dann kommt dieses Statement:

Ebenso möchte ich die Verleger*innen und nichtbetroffenen Autor*innen an ihre Mitverantwortung erinnern: Ihr duldet, dass Nazis gemeinsam mit euch ausstellen!“

Und das macht alles unglaubwürdig. Ganz nach dem Motto „Unterstütze mich oder du bist ein Feind“ wird der Messe unterstellt, ein Brutbecken für Nazis und Rechtsextremisten zu sein. Der Besucher und Aussteller pauschal unter Verdacht gestellt, demokratiefeindliche Kräfte zu stützen oder diesen gar selbst anzugehören. Das ist es jetzt auch, was in den sozialen Netzwerken hängenbleibt: Die auf der Messe dulden Nazis. Kuhnke wird auf viele Solidaritätsbekundungen bauen können. Und diese Solidarität versucht sie mit ihrer Aussage zu erzwingen. Wer nicht wie sie absagt, der macht sich mitschuldig und ist ein schlechter Mensch. Diese Art der moralischen Manipulation ist selten ein Produkt der Angst, sondern der Kalkulation. Dazu kommt, dass jetzt wohl noch ein Streissand-Effekt wirkt. Dadurch, dass Frau Kuhnke und all die Gratismut-Gewinnler, die jetzt auch ostentativ ihre Teilnahme absagen, diesen recht unbekannten Verlag so prominent in Szene setzen, kommen womöglich nun wirklich ein paar Rechtsextremisten vorbei, die jetzt mal so schauen, was es im Angebot gibt. Allerdings habe ich bei vielen der aktuellen Anti-Rassismus-Aktivisten den Eindruck, dass es gerade eben darum geht, eine Spirale in Gang zu setzen, um immer wieder einen Grund zu finden, sich als Opfer zu stilisieren. Die Messe aber nun zur No-Go-Arena für Schwarze und andere Minderheiten zu machen, ist schlicht abstrus. Die letzten Krawalle, die es auf einer deutschen Buchmesse gab, kamen so mal nebenbei aus dem linken Spektrum. Wer so etwas nicht will, was schon einmal auf der Buchmesse passierte, als Linke die Hallen stürmten, wer nicht will, dass man aus einer moralischen Überheblichkeit heraus, anmaßt zu entscheiden, welche Bücher wertig sind und was nicht und wer auch unangenehme Publikationen im rechtlichen Rahmen toleriert, der ist sicherlich kein Demokratiefeind. Jene jedoch, die zerstörerischen Aktivismus befürworten, sind es. Ich bin ja gespannt, ob man in diesem Jahr versucht, den Jungeuropa Stand zu stürmen und ganz demokratisch Bücher zu zerstören.

Bild von PrettySleepy by Pixabay

Literatur als neuer Verdachtsfall

Der Grund, warum ich so ein riesiges Problem damit hab, das wieder darüber geredet wird, was auf einer Büchermesse ausgestellt werden darf, liegt auch an vergangenen Vorfällen. Ob Boykottaufrufe gegen die Woody Allen Biografie ohne echte Beweise für die Schuld des Kultstars oder das Verbrennen von Harry Potter Büchern für TikTok aufgenommen, weil die Autorin etwas Unliebsames gesagt hat. Es beginnt erst einmal mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus und was man dafür betrachtet, aber rasch verschieben sich die roten Linien immer weiter und der Korridor wird enger. Schriftsteller und Bücher sind innerhalb der Mechanismen des woken Zeitgeistes wieder in eine abgewertete Position gerutscht, die wir als überwunden glaubten. Das Konzept von entarteter Kunst lebt wieder auf, Autoren sind wieder nach der Gesinnung zu bewerten. Und das alles natürlich im Kampf für Demokratie und Gerechtigkeit. Es sind die heutigen sogenannten Progressiven, die die Reaktionären von morgen sind, bereit, ihr Weltbild mit aller Verbissenheit zu bewahren und sich in einem starrsinnigen Dogmatismus zu verbarrikadieren. In diesem Sinne danke ich den Veranstaltern der Frankfurter Buchmesse dafür, dass sie tatsächlich echte Haltung gezeigt haben.

Beitragsbild von Peter Lomas by Pixabay

8 Kommentare zu „Die Frankfurter Buchmesse präsentiert: Empörungstheater und PR

Gib deinen ab

  1. Jasmina Kuhnke, die Negerprinzessin des woken antirassistischen Königreichs, auch bekannt als Quattromilf I., hat ein Büchlein geschrieben, in dem sie ihre ach so schlimmen Erfahrungen in diesem durch und durch rassistischen Land schildert – wenn auch durch die Erfahrungen einer fiktiven Figur vorgetragen – und das gerne als eminent wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des strukturellen Rassismus verkauft sehen möchte (in der Spiegel-Liste auf Nr. 1?), boykottiert verkaufswirksam einen Auftritt bei der Buchmesse. Sie hat ganz furchtbare Angst vor „rrrrääääächten“ Verlagen, die ihr „pöse“ Neonazis auf die Bude schicken, um sie von ihrem gratismutigen Kampf gegen die üblen Rassisten in diesem Land abzuhalten. Da haben wir wieder die Autoviktimisierung, die in ihren Kreisen ja üblich ist und gerne gepflegt wird. Frau Kuhnkes gravierendstes Problem ist nicht der Rassismus, der ihr u. U. mal in ihrem Leben begegnet ist, sondern ihre eigene Identität, die ihr Probleme bereitet. So ergeht es auch einem Malcolm Ohangwe, einer Alice Hasters oder vielen anderen, die laut in der Öffentlichkeit über Rassismus klagen, aber in erster Linie mit ihrer eigenen Herkunft nicht klarkommen: halb schwarz, halb weiss, ggf. halb schwarz, halb arabisch. All diese Personen hätten auch Probleme in Afrika oder Arabien, denn die dortige Toleranz gegenüber Mischlingen ist zumeist sehr gering und wird auch nicht öffentlich ausdiskutiert. Deutschland ist willig und aufnahmebereit, was diese selbsternannten Opfer angeht, weil wir Buße tun wollen und uns deswegen an diesem Ablasshandel beteiligen. Jede Minderheit kann hier mit den abstrusesten Vorwürfen auflaufen, offene Ohren bei den ÖR-Medien, der „woken“ Community und Teilen der Politik sind ihr sicher, weil das moralische Flagellantentum die höchste Haltungsstufe darstellt. Diese Einstellung hat inzw. alle Bereiche der Gesellschaft erfasst und ist für mich Zeichen eines degenerativen Prozesses, der unsere Gesellschaft jetzt schon schwer beschädigt hat und langfristig zerstören wird. Aktuell kann man diesen Prozess auch in der BILD-Affäre beobachten, die gerade in diesem Moment bei Lanz mal wieder von den üblichen, natürlich auf höchstem moralischen Ross reitenden, Vertretern der Haltungspresse aufbereitet wird. Gegenstimmen? .ehlanzeige. Diskussion? Fehlanzeige. Gute Nacht, Deutschland,

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    1. Die Opferstilisierung geht weiter. Headline bei SPON: „Schwarze Frauen waren unerwünscht“. Hat schon was von einer Flüsterpost, wo am Ende alles verdreht wird.

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  2. Damit auch jeder weiß, wie sich die von uns finanzierten ÖR-Parasiten positionieren: https://www.hessenschau.de/kultur/buchmesse/weitere-prominente-sagen-buchmesse-besuch-aus-protest-ab-,absage-kuhnke-rechte-verlage-100.html Und als besonderes Schmankerl: „Information
    Weil es kein Attribut ist, das auf die Hautfarbe zielt, sondern eine konstruierte politische und soziale Zuordnung, schreiben wir die Bezeichnung „Schwarz“ in diesem Artikel groß. Schwarzsein ist in diesem Kontext verbunden mit gemeinsamen Rassismuserfahrungen und bedeutet keine Zuordnung zu einer ethnischen Gruppe.“ (Zitat aus dem Beitrag der hessenschau)
    Ja, nur die armen „Negersse“ erfahren Rassismus…….schluchz….

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  3. Very Good. Kleine Information, die Du bestimmt nicht übersehen, sondern nur vergessen hast. Jasmina Kuhnke fürchtete sich auch vor den „Nazis“, die die Messe besuchen könnten, und nicht nur vor den fünf „Nazis“, die den Jungeuropa-Verlag vertreten. Nach der Logik dürfte sie eigentlich nicht mehr das Haus verlassen.

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    1. Ja, der Umstand ist mir bewusst, habe ich nur nicht genannt, weil das für mich nicht wesentlich war. Indirekt bin ich ja darauf eingegangen, dass Sicherheitsmaßnahmen ja getroffen werden können. Wie gesagt, Salman Rushdie war auch dort und der wird nicht nur von ein paar Spinnern bedroht, sondern vom iranischen Staat sowie von Hasspredigern aus der gesamten islamischen Welt. Aber mit einem groß artikulierten Rückzug klappt die Opferinszenierung einfach besser

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    1. Vielen Dank für Ihren Beitrag. Aber möchten Sie noch konkretisieren, an welcher Stelle extremer Rassismus artikuliert wurde?

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